Stierkampf geht uns alle an
Schon oft wurde in der deutschen Presse vom spanischen Stierkampf berichtet, so auch von Ingolf Bossenz. Anbei einige seiner lesenswerten Artikel, der erste aus dem Jahr 2004 und zwei weitere aus dem Jahr 2006.
Was hat sich seitdem getan?
Nach wie vor werden alljährlich ca. 70 000, durch die Europäische Union subventionierte Kampfstiere im Namen der Kultur in unsrerem Nachbarland grausam getötet. Nach wie vor beeinflusst die Tauromachie die spanische Medien, nach wie vor, wird versucht die Tierrechtler mundtot zu machen und auch die deutschen Medien tragen nicht gerade dazu bei, dass die ganze grausame Wahrheit ans Licht der Öffentlichkeit kommt. Viel lieber berichtet das Fernsehen über „schöne“ Banalitäten, als über die bittere blutige Realität der spanischen Tiere. Der Mensch ist leider furchtbar abgestumpft, nicht nur in Spanien. Tiertransporte, Versuchslabore und Massentierhaltung sind nur einige Themen die bestenfalls nur am Rande der Massenmedien behandelt werden. Ignoranz und Egoismus gegenüber unseren Mitgeschöpfen scheinen prägnante Merkmale unserer oberflächlichen und bequemen Gesellschaft der Wegschauer zu sein.
Wann erheben Sie ihre Stimme für die Rechte der Tiere?
ND 23.03.2004
Kulturbeitrag
EU subventioniert weiter Stierkampf
Von Ingolf Bossenz
Die Europäische Union wird größer, die Gelder werden knapper und die Verteilungskämpfe härter. Aber wenns um Traditionen geht, die angeblich zur kulturellen Identität von Mitgliedsländern gehören, ist Brüssel nicht knausrig. So soll der Stierkampf in Spanien auch nach der Reform der EU-Agrarpolitik finanzielle Förderung erfahren. Die über tausend Züchter von Kampfstieren werden derzeit jährlich mit bis zu 22,5 Millionen Euro subventioniert. Die Befürworter des blutigen Spektakels in der Arena preisen unterdessen das »privilegierte Leben« der Toros, deren Leben in nahezu freier Wildbahn von einem majestätischen Tod vor Tausenden Zuschauern gekrönt werde. Doch auch in Spanien selbst wächst der Widerstand gegen die Barbarei, alljährlich rund 70000 Stiere, Kühe und Kälber in den Stierkampfarenen sowie bei Tierhatzen und anderen »Fiestas« unter dem Deckmantel der Tradition zu quälen und zu töten. Zwar hat die EU im Vertrag von Amsterdam den Tierschutz verankert. Allerdings wird der Stierkampf als Teil der iberischen »Identität« betrachtet. In Portugal, wo der Stierkampf während der Diktatur lange Zeit verboten war, wurde er übrigens mit Unterstützung der EU wieder eingeführt. Demokratie verlangt eben ihre Opfer. Aber es sind ja nur Tiere.
ND 21.07.2006
Brüsseler Spitzen
Traurige Traditionen
Von Ingolf Bossenz
Der Stolz auf das »kulturelle Erbe« Europas wird gleich zu Beginn der Präambel der europäischen Verfassung beschworen. Zurzeit liegt das gesamte Projekt auf Eis. Was vielleicht auch zum Nachdenken darüber genutzt werden sollte, was im EU-Europa christlich-abendländischer Provenienz so alles als »Kultur« durchgeht. Beispielsweise die »encierros«, jene zum Gaudi abgestumpfter Touristenhorden in der nordspanischen Stadt Pamplona veranstalteten Stierhatzen. Die von der johlenden Menschenmeute in Todesangst versetzten und durch enge Gassen zum Abschlachten in die Arena gejagten Kreaturen (»kulturelle Tradition« Stierkampf) müssen alljährlich für Spaniens »international bekanntestes Volksfest« krepieren. Um Kritiker mundtot zu machen, wird gern auf Ernest Hemingway verwiesen, der diesem elenden Schauspiel in »Fiesta« schließlich ein »literarisches Denkmal« gesetzt habe. Als ob nicht auch Massaker an Menschen von Dichtern apotheosiert wurden, ohne dass diese Untaten damit gleich in den Rang eines »Kulturguts« aufstiegen. Stellt sich die Frage, wie derart barbarische »circenses« mit dem Anspruch des EU-Verfassungsentwurfs (Artikel III-121) zu vereinbaren sind, »den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung« zu tragen – eine Formulierung, die sogar noch über die in den Maastrichter Verträgen von 1992 hinausgeht. Nun, ganz einfach: Berücksichtigt werden »die Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten insbesondere (!) in Bezug auf religiöse Riten, kulturelle Traditionen und das regionale Erbe«. Was im Klartext bedeutet, dass das »Wohlergehen der Tiere als fühlende Wesen« das bedruckte Papier nicht wert ist, wenn dem irgendwelche religiösen Riten oder »Traditionen« entgegenstehen. Damit werden die vor allem in Spanien, aber auch in Portugal und Frankreich praktizierten Stierkämpfe oder die grausamen Windhundrennen in Britannien ebenso gebilligt wie das in islamischer und jüdischer Religion sanktionierte Schächten, also das Schlachten von Tieren, ohne diese vorher zu betäuben. In Deutschland hatte erst 2002 das Bundesverfassungsgericht nach jahrelangem Rechtsstreit mit muslimischen Vertretern diese von Tierschützern als qualvoll kritisierte Methode bestätigt: Tierschutz sei das nachrangige Rechtsgut. Nicht nur hierzulande war damit die generelle Frage aufgeworfen, ob im 21. Jahrhundert die Rücksichtnahme auf Ernährungsriten, die vor Hunderten, ja Tausenden von Jahren aus möglicherweise gutem Grund eingeführt wurden, im Zweifelsfall immer noch die Rücksichtnahme auf leidensfähige Wesen aushebeln darf. Brüssels politischen Unwillen zu echten Veränderungen im Umgang mit den nichtmenschlichen Kreaturen unterstreicht die ökonomische Praxis. Klassisches Beispiel: der von der EU subventionierte Stierkampf. Bis zu 22,5 Millionen Euro jährlich kommen, so haben Recherchen von Tierschützern ergeben, den rund 1200 spanischen Kampfstierzüchtern zugute. Diese treten nämlich als ganz normale »Rindfleischerzeuger« in Erscheinung, ohne jeglichen Hinweis auf das atavistische Folterritual in der Arena. Tierfabriken, Schlachthöfe, Tierversuchsanstalten gelten gemeinhin nicht als »kulturelle Traditionen«. Doch sie gehören ebenso dazu wie blutige Stierkämpfe und betäubungsloses Schlachten. Allesamt sind es sehr traurige Traditionen.
ND 27.12.2006
Angriff auf die »Kultur«
Von Ingolf Bossenz
Cristina Narbona ist eine mutige Frau. Spaniens Umweltministerin will beim Stierkampf das Töten der Tiere in der Arena verbieten lassen. Allerdings gilt diese Tortur als bedeutende Tradition, sodass sogar sozialistische Parteikollegen und Regierungsmitglieder zu Narbona auf Distanz gingen. Um Kritiker mundtot zu machen, wird gern auf Ernest Hemingway verwiesen, der dem elenden Schauspiel in »Fiesta« schließlich ein »literarisches Denkmal« gesetzt habe. Als ob nicht auch Massaker an Menschen von Dichtern apotheosiert wurden, ohne dass diese Untaten damit zum »Kulturgut« aufstiegen. Toreros und Kampfstierzüchter empörten sich, die Ministerin wolle die Corrida ganz verbieten. Was nur konsequent wäre. Konsequenter als die schwammigen Floskeln in der EU-Verfassung zum Tierschutz. Dort werden ausdrücklich »die Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten insbesondere (!) in Bezug auf religiöse Riten, kulturelle Traditionen und das regionale Erbe« berücksichtigt. Die EU subventioniert sogar den Stierkampf. Bis zu 22,5 Millionen Euro jährlich kommen den rund 1200 spanischen Kampfstierzüchtern zugute. Denn diese treten als ganz normale »Rindfleischerzeuger« in Erscheinung. Dass das Elend in den Schlachthäusern dem Folterritual in der Arena in nichts nachsteht, sollte man dabei allerdings nicht vergessen.