12th September 2008

Becerrada – Töten ist nicht leicht

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copyright Luis Llorca

Javier Rada:

Töten ist nicht leicht. Das weiß der Schlächter, der Sheriff, der Kriegsverbrecher und der Fechter. Töten ist schwer. Das sagt der Sadist, der Ungeziefervernichter, der Fischer und der Jäger. Ganz einfach, weil so etwas Komplexes besondere Fähigkeiten und Wissen verlangt. Ob das wohl die Torero-Anwärter der „becerrada“ von San Lorenzo del Escorial (Madrid) am 3. August wussten? Weiß das wohl Michelito, der 10-jährige mexikanische Torero, der diese Woche in Frankreich Polemik ausgelöst hat?
Drei “becerros” (Stiere, die jünger als zwei Jahre sind) mussten das stümperhafte Töten am eigenen Leibe erfahren und zeigten diese Lektion mehr als hundert Personen. Das war der Satz, der auf den Zuschauerrängen am meisten wiederholt wurde. „Wenn es sogar den Toreros nicht gelingt sofort zu töten“, sagte eine ältere Dame. „Mal sehen, ob du es beim ersten Mal schaffst“, grölt ein Jugendlicher während er eine Literflasche Wein in den Händen hielt. Keiner der drei „matadores“ erfüllte die Erwartungen. Unter dem Publikum gab es viele Minderjährige, sogar Säuglinge. Und alles im Rhythmus von Pasodoble, Gelächter und Beifall.

Cipotín, der Künstlername von einem dieser Burschen, steht in der Arena. Die „bandarilleros“ Pollero und Carnicerito haben ihre Arbeit schon getan. Der „becerro“ blutet stark aus einer schlecht gestochenen Banderilla, die ihm zwischen den Rippen steckt. Bekleidet mit einer Jeans, beginnt Cipotín mit dem Stier zu kämpfen. Er hat diesen Platz bei einer Tombola für einen Euro gewonnen. Es nähert sich der schwierige Moment, diese Aktion, die uns als Menschen oder Delphine definiert: Töten aus Lust. Der erste Stoss mit dem Degen trifft auf einen Knochen. Beim zweiten Mal, ja, da dringt er in das Fleisch ein, aber der kleine Stier stirbt nicht. Nach fünfminütigem Todeskampf, bricht der „becerro“ zusammen. Er bewegt noch die Beine, wie eine Kakerlake, die Gift gefressen hat, als sie ihm den Nacken zerschneiden.
Die Umweltschützer sagen, dass diese Schauspiele illegal sind, da sie gegen die Vorschriften der Stierkampfregeln der Gemeinde Madrid verstoßen. Laut diesen ist es verboten, den Rindern jeglichen Schmerz während der Volksfeste mit Stieren (festejo taurino) zuzufügen. Von der Gemeinde wird aber eingewendet, dass die Stierkampfvorschriften aus dem Jahre 1995 die „becerradas“ nicht als Volksfest betrachtet werden, sondern als Stierkampf. Doch auch so, bestätigen sie, ändern sie die Vorschriften, um sie zu verschärfen. In der Stadtverwaltung von El Escorial verschanzen sie sich hinter dem Schutzschild, dass sie diese Veranstaltung nicht organisieren, sondern der Festausschuss der Burschen, Verheirateten und Witwer.

Das Privileg der Beschwerde
Hatte dieser “becerro” das Recht nicht zu leiden? „Im Verlauf der Geschichte hat die Justiz nur die menschlichen Tiere beschützt, also nur die, die fähig waren, sich zu beschweren und die Sinn für Gerechtigkeit hatten“, erklärt Pablo de Lora, Philosophielehrer der Rechtswissenschaften. Es handelt sich um Gerechtigkeit für den Menschen.
Der zweite Matador, El Pelu, weiß nicht recht, was er machen soll. Die Banderillas stecken je im Hals des Tieres und eine andere zwischen den Rippen. Der „becerro“ zum Zeichen der Aufgabe, senkt den Kopf. Der Torero trifft nicht. Er versetzt ihm verschiedene Degenstösse. Nichts. Der Degen bleibt zur Hälfte im Rücken stecken. Sie entscheiden, ihn zu töten. Das Publikum schreit: „ Er soll ihn töten! Nicht du, er soll es sich verdienen!“ Während sie noch zweifeln, leidet das Tier weiter. Sie versuchen, es mit einem Messer einen Gnadenstoß zu geben. Sie rammen es hinein, in den Nacken, nichts. Er widersetzt sich. Dickkopf! Mit einem Messerstoß töten sie das seltsame Leben derer, die auf Volksfesten sterben.
„Wir müssen uns fragen, was mit den moralischen Werten passiert“, fährt de Lora fort, „mit denen, die keinen Gerechtigkeitssinn haben, wie ein „becerro“ oder ein Kind, oder ein psychisch Kranker. Wenn wir ihnen unnötiges Leid zufügen verfallen wir in ein abscheuliches, moralisch verwerfliches Verhalten“.
Ein verwerfliches Verhalten vielleicht, aber unterstützt von Politikern. Die PP und die PSOE (Anmerkung: vergleichbar mit CDU und SPD) haben gerade im Bürgermeisteramt von Algemesí (Valencia) für die polemische Metzelei von „becerros“, die in diesem September stattfinden soll, gestimmt. Die Umweltschützer zeigen auch weiterhin die „becerradas“ von Vinuesa (Soria) an. Die drei haben gemeinsam, dass unerfahrene Leute Tiere abschlachten.
Der dritte Torero trifft auch nicht. Er stößt den Degen nur halb in den Rücken. Sie entscheiden, dass er für die Sünde, Stier geboren zu sein mit einem Genickstoß büßen muss. Bis zu fünf Hiebe erhält er im Nacken. Mit einem herzzerreißenden Schrei, nicht hörbar durch die Musik, geht er zu Boden. Es scheint, dass sich hier die Moral doch beschwert hat.
“Stellt euch vor, dass unter dem Schutzmantel der Tradition ein barbarischer Brauch wie die Beschneidung der Klitoris auf der „plaza de Cibeles“ von Madrid durchgeführt werden würde. Einmal stellte man im deutschen Parlament auf, was passieren würde, wenn man in ihrem Land einen Stierkampf durchführen würde. Die Antwort lautete, dass alle festgenommen werden würden. Genauso wie in Kairo. Das Mitleid muss man kultivieren”, erklärt der Philosoph Jesús Mosterín.

Sterben bei Brot und Zirkus der Vergangenheit. Gefoltert werden bei Geruch nach Brötchen mit „tortilla de patatas“. Dem Pöbel des alten Roms wurde dieses Spektakel umsonst geboten. In San Lorenzo del Escorial bezahlten wir 12 €

Quelle: Público.es

© Diario Público.
Calle Caleruega nº 104, 1ª planta. Madrid 28033.
Teléfono: (34) 91 8387641

Übersetzung aus dem spanischen ins deutsche:

Caroline Waggershauser

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Freitag, September 12th, 2008, 00:35 | Allgemein, CPA Bürger für Tiere, STIERKAMPF | kommentieren | Trackback

Kommentar zu “Becerrada – Töten ist nicht leicht”

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  1. 1 30. September 2011, Ingrid Döhring schreibt:

    Solange wir es nicht schaffen in Brüssel etwas zu bewegen, können wir uns ALLE aufregen und schreiben bis zum „Sankt Nimmerleinstag“. Wo sind eigentlich unsere Tierschutzvereine, welche Petionen ins Leben rufen, die zu Protesten aufrufen. Nicht alle Menschen sind mit dem Internet vertraut…..ich habe ALLE Infos hier im Internet gefunden. Ich bin so schockiert, mir ist schlecht ohne Ende. 20.000 Menschen gingen in Madrid auf die Strasse gegen den Stierkampf. In Cadiz an die 2.000 Menschen um gegen die furchtbaren Zustände in den Tötungsstationen zu protestieren. Respekt vor den Spaniern. Wenn es die span. Stierzuchtmafia schafft, bei der UNESCO ihr blutiges, sadistisches Treiben als WELTKULTURERBE anerkannt zu bekommen, dann geht der gesamte Tierschutz weltweit den Bach runter. Denn jedes Drecksnest wird in den Analen blättern …äh haben wir nicht auch mal.!!! ICH HABE ALLES VERSUCHT, den „TORO DE LA VEGA“ ins Deutsche Fernsehen zu bekommen. Ich habe Briefe an Sender geschrieben, „NICHTS, NADA, NOTHING“ Ich bekomme noch nichtmal eine Antwort. Dabei geht es uns doch ALLE was an. Wir bezahlen den Mord an Tieren mit unserem Geld. Aber das wissen ja Deutsche Bürger gar nicht, weil sie nicht durch Presse und Fernsehen informiert werden…..In meinem Bekanntenkreis wusste niemand, dass wir den Stierkampf mit EU Geldern unterstützen…ich habe den Mord an „AFLIGIDO“ noch nichtmal verarbeitet. Ich wünschte mir, hier in Deutschland würden auch mal die Leute auf die Strasse gehen….ich wäre gern dabei, wie früher, gegen Pelze, gegen das Abschlachten von Walen, gegen die furchtbaren Schlachttiertransporte. Ich bitte ALLE, unterschreibt wenigstens die Petionen. Danke

    @ Ingrid
    Das kenne ich, die antworten noch nicht einmal oder schreiben einem, dass es nicht ins Programm passt. Die Gesellschaft ist abgestumpft, ignorant, bequem, was interessiert sind Doku Soaps wie „Frauentausch“ und „Dschungelcamp“, das Volk wird dumm gehalten, ist so leichter zu regieren.
    Tierrechtsdemos gibt es auch hier, im kleinen Rahmen, aber für deie meisten Mitbürger sind wir nur verrückte Spinner. Ab und zu wurden die Subventionen der EU für den Stierkampf immerhin schon erwähnt, auch über die Abschaffung der Stierkämpfe in Katalonien wurde in der Presse berichtet, kritisch, ein Anfang. Über die fehlende Berichterstattung über den Toro de la Vega bin auch ich bitter enttäuscht, im vergangenen Jahr gab es zumindest eine Fotostrecke beim Stern, die hätten in diesem Jahr einen tolle Dekumentation hinlegen können, aber….

    Tierschutz geht uns alle an, Tierschutz ist Erziehung zur Menschklichkeit, Tierquäler sind eine Gefahr für die Gesellschaft, dies belegen wissenschaftliche Studien, siehe hierzu GEVHA http://www.gevha.com/ , die Akzeptanz der Misshandlung von Tieren ein Zeichen wie diese mehr und mehr abstumpft, Empathie gegenüber unseren Mitlebewesen zeigen die meisten Menschen nur gegenüber wenigen Tieren, Hunde, Katzen und beim sogenannten Nutzvieh hört das Mitleid auf. Solange nicht ALLE Tiere die gleichen Rechte haben, wird sich am Tierschutz im allgemeinen wohl nicht so schnell etwas ändern.

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