30th Juli 2010

Der Sieg der Demokratie, Abschaffung der Stierkämpfe in Katalonien

Am 28. Juli war es endlich soweit. Der Höhepunkt, auf den die Plattform „Prou“ seit Jahren hingearbeitet hat, näherte sich. Ja, es waren Jahre, nicht Monate. Seit 2004, seit der symbolischen Erklärung durch den Stadtrat von Barcelona zur stierkampffreien Stadt, wurde gezielt auf diesen Moment hingearbeitet. Die Ende des letzten Jahres ins Leben gerufene ILP (Volksbegehren) war nur der letzte Schritt.

Wie immer erhob ich mich mitten in der Nacht, um meine Straßenkatzen zu betreuen, ich sputete mich, denn ich hoffte, mich doch noch etwas hinlegen zu können, bevor ich losfahren musste. Vera Weber von der FFW und ich waren für 8 Uhr vor dem Parlament verblieben.

Es war angebracht, sich früh einzufinden, da halb Spanien diesem historischen Moment beiwohnen wollte. Leider war, wie zu erwarten und trotz Ferienzeit, auf den Zubringerautobahnen Stau. Gewitzt, wie immer, flitzte ich durch die Vorstadtstraßen. Den Stau überließ ich den anderen. Doch auch ich stoße an meine Grenzen, wenn da auf einmal die Guardia Urbana eine Straße wegen einer Sportveranstaltung sperrt.

Das ganze wieder zurück und von oben her. Gut. Parkhaus. Verflixt, es war schon 8.30 Uhr.  So schnell wie ich konnte, wie das eben eine Dame in Kleid noch einigermaßen elegant hin bekommt, hetzte ich dem Parlament entgegen. Ja, wie zu erwarten hielt sich eine große Menschenmenge vor dem Eingang auf.

Auf den beiden Straßenecken hatten sich je eine Gruppe Taurinos und eine Gruppe Antitaurinos eingefunden.

Die Taurinos schrien jedesmal, wenn sie einen der „ihren“ ins Parlament entschweben sahen: „Libertad, libertad“. Während ich diesen aggressiven Männern, viele 20jährige, aber auch solche, die die 60 schon weit überschritten hatten, zusah, fragte ich mich, ob diese Leute wohl auch die Freiheit eines Marokkaners, eines Schwarzafrikaners oder eines sonst irgendwie „Fremden“ oder auch Andersdenkenden verteidigen würden. Ich für meine Person wage es zu bezweifeln.

Da erspähte ich auch schon Veras blonden Haarschopf, der über den dunklen Schöpfen der Spanier herausragte. Ich drängelte mich ganz höflich zu ihr hindurch und stellte fest, dass Vera über Nacht gewachsen war. Mein Blick glitt an ihren Beinen hinunter, logisch, bei den Absätzen. Die bürokratische Abwicklung der Sicherheitskräfte des Parlamentes gab mal wieder Zeugnis davon, wie Spanien funktioniert. Seufz. Erst wurden von einigen Wartenden die Ausweise eingesammelt, danach begab sich die Sicherheitsbeamtin nach drinnen und suchte die entsprechenden Einladungen zu den Namen heraus, stellte sich dann vor der ungeduldig wartenden Menge auf und rief einen nach dem anderen auf. Auf diese Art und Weise standen dann noch über die Hälfte derjenigen, die der Abstimmung beiwohnen wollten, um 10 vor 10 h drängelnd vor der engen Eingangstür. Ich glaube so viel Zulauf hat dieser seitliche Eingang, der für Besucher gedacht ist, noch nie gesehen. Und wohl auch nicht das Sicherheitspersonal.

Ja, es war ein historischer Tag, man muss einfach dabeigewesen sein. Tierschutzkollegen aus allen Ecken Spaniens waren angereist. Sowie Franzosen, Belgier, Schweizer und Briten. Von wegen „Identitätsangelegenheit“ der Katalanen. Es ist unter aller Würde, wie die Taurinos in dem ganzen Prozess versucht haben, dem Kampf um die Abschaffung der Stierkämpfe eine politische Note zu geben. „Separatisten“ und „Terroristen“ wurden die Katalanen beschimpft. Sich von Spanien loslösen zu wollen, weil sie einer spanischen Kultur den Tür weisen wollten.

Es sei hier klar gestellt, dass der Stierkampf in Katalonien immer stark vertreten war. Barcelona hatte einmal drei Stierkampfarenen und auch über die ganze Autonomie verteilt wurden Stierkämpfe  abgehalten, dass man die Corridas daher als etwas typisch spanisches sieht, ist absoluter Unfug. Der Stierkampf gehörte immer zu Katalonien. Wer in der Geschichte dieses Landes stöbern möchte, wird feststellen, dass die Stierkampf“kultur“ über Katalonien in den Rest Spaniens Einzug gehalten hat. Titel wie „Katalonien hat Spanien einen Dolchstoß versetzt“ u.ä. sind also absoluter Blödsinn.

Endlich wurde ich aufgerufen, der Sicherheitsbeamte bemühte sich erst gar nicht großartig, meine Personalien zu überprüfen. Mit einem Blick auf meinen Nachnamen schmunzelte er „Wir kennen uns ja schon“. Ich eilte die breite, mit rotem Teppich ausgelegte Steintreppe hinauf und wurde in einen kleinen Saal verwiesen. Schade, der große Saal, in dem die Abstimmung stattfand, war schon voll. Die Besucher durften dann in einem kleinen Saal Platz nehmen, in dem man das Geschehen per Leinwand verfolgen konnte.

Ich sah Vera und Marius von CAS oben in der letzten Reihe sitzen und gesellte mich zu ihnen.

Wieder einmal bedauerte ich, dass Martina nicht bei uns sein konnte. Aber ich wusste, dass sie alles über den Parlamentskanal verfolgen würde. Erst einmal stieg Anna Mulà, Vertreterin der ILP auf das Rednerpult, sie redete den Politikern noch einmal ins Gewissen, die richtige Entscheidung zu treffen: Für das Leben, für den Fortschritt, für die Aufklärung, für die Würde von Mensch und Tier. Danach trugen die Vertreter der verschiedenen politischen Gruppen ihre Gedanken zum Thema vor. Herr Rivera von den „ciutadans“ (Bürgern), dessen kleine Gruppe von der Firma Balañà, der Besitzerin der Stierkampfarenen in Barcelona und Mallorca, gesponsert wird, rief den anwesenden Kollegen zu, dass er keinen, von dem er wüsste, dass er für die Abschaffung des Stierkampfes in Katalonien gestimmt hätte, sehen will, wie er Gänseleber isst, fischen oder jagen geht. Er nannte das ganze eine Farce, eine Komödie, eine Heuchelei. Er gab, wie immer, vor, die Freiheit der Bürger verteidigen zu wollen, Freiheit dahingehend, damit sie selbst entscheiden können, ob sie zu einem Stierkampf gehen oder nicht. Naja, was sollte er auch großartig sagen, wenn der größte Sponsor seiner Partei Stierkämpfe fördert? Herr Rivera selbst betonte hingegen immer wieder, dass er Stierkämpfe nicht mag, sich aber verpflichtet fühlt, die Freiheit der Bürger zu verteidigen. Eher wird er sich wohl dem größten Geldgeber seiner Partei verpflichtet fühlen, der Gute.

Rafael Lluna von der PP (sp. Volkspartei, vergleichbar mit CDU) sparte auch nicht mit Vorwürfen und Anschuldigungen. Herr David Pérez (PSC, sp. SPD) hingegen, eingefleischter Taurino, erklärte hingegen nur kurz, weshalb man den Mitgliedern seiner Partei die Freiheit gelassen habe, nach bestem Wissen und Gewissen abzustimmen. Er nahm nicht an der Schlammschlacht seiner beiden Vorredner teil. Wozu auch? Man sollte wissen, wann man verloren hat und die Niederlage mit Würde annehmen. Danach kamen die Vertreter der anderen Seite zu Wort. Auch sie beschwörten, wie Anna Mulà es schon getan hatte, die richtige Entscheidung für Katalonien zu treffen. Man ging auch noch einmal auf das unsinnige politische Thema bezüglich der Trennung von Spanien ein, man nannte Berühmtheiten aus Kultur und Politik, alle pure Kastilier, die sich gegen das entsetzliche Foltern und Morden von Stieren in ganz Spanien ausgesprochen haben. Auch erwähnte man Carlos, III, der die Stierkämpfe in seiner Epoche verboten hatte und dem man nun gewiss nicht vorwerfen konnte, dass dieser ein katalanischer Separatist oder Terrorist gewesen sei.

Danach kam der Moment der Momente: Die Abstimmung. Obwohl ich schon wusste, wie diese ausfallen würde, wurde ich doch etwas nervös. Wieso ich wusste, wie die Entscheidung ausfallen würde? Wochenlang wurde diskutiert, ob die PSC geschlossen als Partei abstimmen würde, dann hätten die Stiere Spaniens verloren oder ob man jedem Parlamentarier die Entscheidung selbst überließ. „Zünglein an der Waage“ war in diesem Falle der indirekte Druck der Regierungspartei in Madrid. Freie Abstimmung. Uns Tierschützern fiel ein Stein vom Herzen. Damit war das Ergebnis schon klar. Aber trotzdem, da sitzt man, schaut auf die Anzeigetafel, das Herz klopft, der ganze Körper angespannt und dann schießen einem die Tränen in die Augen:

68 Stimmen für, 55 gegen das Verbot des Stierkampfs und 9 Enthaltungen.

Aus beiden Sälen drang ein einziger Freudenschrei, der sich dann durch das gesamte Gebäude bis hinaus auf die Straße fortsetzte. Ich bin sicher, man hat uns sogar oben im fernen Nordeuropa gehört.

Doch ab dem 28.07.2010 ist Europa gar nicht mehr so weit entfernt. Endlich hat die Aufklärung in Spanien Einzug gehalten. Zwei Jahrhunderte hat es gedauert, bis diese scheinbar unendlich hohen Pyrenäen , die Spanien figürlich und räumlich vom zivilisierten Europa trennten, endlich, endlich überwunden waren.

Mit Herzklopfen und Tränen in den Augen wählte ich die Nummern zweier lieber Freunde, um ihnen die frohe Botschaft zu überbringen. Aber es war unmöglich, ich konnte nichts hören, zu laut, zu fröhlich war der Jubel meiner Tierschutzkollegen. Nun, ich nehme an, meine Freunde haben durch das Handy hindurch das Freudengeschrei wahrgenommen und wussten auch so, ohne Worte, was es zu bedeuten hatte.

Die anwesenden Taurinos machten bedrückte Gesichter, ein katalanischer Torero, Serrafín Marín begann sogar zu weinen, begleitet von seiner Freundin, die in seine Tränen mit einfiel. Mitleid konnte ich mit den beiden nicht empfinden. Nein, wirklich nicht.

Ich drängte mich zwischen denen sich in den Armen liegenden, vor Freude weinenden Menschen hindurch, in die Halle, wo ich meine engsten Freunde suchte. Alle weinten und lachten durcheinander. Immer wieder fiel man sich um den Hals, in die Arme, man klopfte sich, man küsste sich, man schüttelte sich gegenseitig. Es war einfach unglaublich.

Ich bin stolz darauf, dabei gewesen zu sein. Ein historischer Augenblick, voller Ergriffenheit. Die Gefühle fuhren Achterbahn. Es war ja nicht nur die Tatsache, dass nun das bestehende Tierschutzgesetz abgeändert werden würde. Ja, für die, die das nicht wissen: Wir haben kein Stierkampfverbot gefordert. Nein.

Wir kämpften um eine Änderung im Tierschutzgesetz Kataloniens, von denen die Stiere ausgenommen waren. Nach dem Gesetz dürften eigentlich weiterhin Stierkämpfe ausgeführt werden, nur: die müssten jetzt ohne Waffen stattfinden, was heißen will, dass keiner mehr hin ginge. Denn da gäbe es ja kein Blut mehr zu sehen und auch der Tod wäre ausgeschlossen, es gäbe keine Folter, kein Leid und kein Sterben mehr zu sehen, weder von Tier, noch von Mensch. Und somit ist die gesamte Angelegenheit für die zu Sadismus neigenden Stierkampfanhänger uninteressant geworden. Denn das ist es ja, was diese Leute sehen wollen. Stierkampfanhänger, aficionados brüsten sich damit, dabeigewesen zu sein, wenn ein Torero schwer verletzt oder gar getötet worden ist. Und die, die nicht dabei waren, beneiden ihn darum. Die einzige Bestie in der Stierkampfarena ist das Publikum (Blasco Ibañez, 1908)

Was für Gedankenvorgänge. Mich schüttelt. Dazu muss man sich nur eine sehr bekannte Unterhaltung in Erinnerung rufen, die sich zwischen dem Schriftsteller Valle-Inclán ereignete, der, nachdem er den berühmten Torero Belmonte über alle Massen gelobt hatte, zu ihm sagte: „Juanito, jetzt fehlt dir noch nur, in der Arena zu sterben“, auf das der „maestro“ antwortete. „Ich werde sehen, was ich tun kann, Don Ramón“ (Chaves Nogales, 1935). Über sein Publikum äusserte er sich resigniert einmal folgendermaßen: „Die Leute füllten die Arena, hoffend, dass mich ein Stier tötet.“

Um der Allergrößte unter den Toreros zu sein, müsste jemand dieser Berufsklasse sein Leben in der Arena lassen. Was natürlich der masochistische Wunsch eines jeden „Schlächters“ ist, da er sich so selbst unsterblich macht. Belmonte war es nicht vergönnt, er erschoss sich 1962 auf seiner Finca.

Doch in Katalonien wird dies nie wieder geschehen, weder gefolterte und hingerichtete Stiere, noch verletzte oder getötete Menschen. Ab Januar 2012 wird es in Barcelona kein blutlechzendes Publikum mehr geben. Denn ein Stierkampf ohne Blut interessiert niemanden.

Nachdem wir uns alle lachend und weinend um die Hälse gefallen sind und alle durcheinander riefen und uns beglückwünschten, dachten wir dann an die, die nicht dabei sein konnten. Ich rief sofort Martina im fernen Wuppertal an. Sie konnte den Moment der Abstimmung nicht sehen. Die Liveübertragung streikte gerade im entscheidenden Moment, dementsprechend ungeduldig wollte sie das Ergebnis wissen. Weltweit hatten Menschen das Geschehen im katalanischen Parlament verfolgen wollen, doch das Netz war offensichtlich vollkommen überlastet.

Fröhlich teilte ich ihr mit, dass die Stiere gesiegt haben. Ich reichte mein Handy an Antonio Moreno von CACMA weiter, der ihr mit blitzenden Augen und offenem Lachen von den Geschehnissen erzählte.

Was für ein denkwürdiger Augenblick, er wird in die Geschichtsbücher eingehen. Es ist ja nicht nur, dass das Tierschutzgesetz geändert wird, nein. Die Tatsache, dass eine friedliche Gruppe von Bürgern, mit dem einzigen Werkzeug, das sie zur Hand haben, der Demokratie nämlich, erreicht haben, eine jahrhundertealte alte „Kultur“ der Vergangenheit angehören zu lassen, ja, das ist …. das ist Geschichte. Wir haben am 28. Juli 2010 Geschichte geschrieben. Einfach unglaublich. Ohne Revolution, ohne Attentate, ohne Bestechungen, ohne Betrügereien. Ganz friedlich sind wir alle auf unser Ziel losmarschiert und haben die Freiheit der Stiere in Katalonien erreicht. Ich fass es immer noch nicht.

Zu dem Wort „Bestechungen“ möchte ich noch sagen, dass die Taurinos nichts unversucht ließen, um den katalanischen Politikern eine Stimme gegen das Verbot zu entlocken. Da wurden Einladungen zu Abendessen und Wochenenden auf verschiedenen Rinderzuchten noch und nöcher überreicht, Geschenke gemacht. Was Anstand und Scham ist wissen die nicht.

Doch die französische Stierkampfanhänger, alles Parlamentarier ihres Zeichens, schossen den Vogel ab in ihrem Bemühen, die katalanischen Politiker auf ihre Seite zu ziehen: Sie sandten den Politikern eine Bittschrift um den Erhalt der Stierkämpfe. Soweit, so gut. Doch dann stellte sich heraus, dass drei der Unterzeichnenden bereits das Zeitliche gesegnet hatten und weitere 19 Parlamentarier und fünf Bürgermeister schon seit Jahren nicht mehr in ihren Ämtern waren und obendrein wiederholten sich verschiedene Namen in dieser Bittschrift bis zu dreimal.

Doch der Gipfel der Unverschämtheit und des Betrugs war die Tatsache, dass diese Damen und Herren Politiker Daten von Kollegen einsetzten, die gegen den Stierkampf sind. Und so ergaben sich 136 „Unterschriften“. Was soll man dazu noch sagen?

Ich glaube, diese Art von Vorgehensweisen sprechen für sich selbst. Da brauche ich mich nicht noch lang und breit dazu äußern. Diese Leute stellen sich selbst auf den Platz, der ihnen gebührt.

Von „fair-play“ keine Spur. Sie sehen ihre Felle wegschwimmen, die lieben Taurinos. Wir hatten im Gegensatz zu ihnen nichts anzubieten, außer ethischen und moralischen Argumenten. Und wir haben gesiegt. Und jetzt wird Madrid angegangen. Es wird noch Jahre dauern, ja, aber auch Madrid wird fallen.

Ich ging dann erst einmal nach draußen, wo andere Tierschutzkollegen auf uns warteten. Das war ein Jubel und Trubel, eine Heiterkeit, eine ausgelassene Fröhlichkeit. Ein Volksfest. Die Vernunft hat gesiegt. Und was ich auch oft hörte: Jetzt gehören wir endlich zu Europa.

Natürlich war die Gruppe der Taurinos außer sich, wütend schüttelten sie die Fäuste hinüber zu den Antitaurinos und beschimpften uns. Die autonome Polizei, die Mossos d´Escuadra, hielt sich immer ganz in ihrer Nähe auf. Für alle Fälle.

Da entdeckte ich etwas im Abseits einen Bekannten, einen Taurino, der bei den letzten Vorträgen im Parlament im letzten November versucht hat, mit mir anzubandeln und auch gemeint hat, dass, wenn er mich zu einem luxuriösen Abendessen einladen würde und am nächsten Tag zu einer glanzvollen Corrida, dann würde ich mit fliegenden Fahnen die Seite wechseln. Na, da kann er sich aber an mir die Zähne ausbeißen.

Ich hatte ihn schon morgens im Gedränge entdeckt und kurz begrüsst. Da war er noch guter Laune, doch jetzt, als ich mich ihm näherte, sah ich, dass er geweint hatte. Tja, es ist nicht leicht zu verlieren. Er sah mich und versuchte zu lächeln, doch dann blickte er hinter sich und sagte schnell: Jetzt nicht, es ist ein unpassender Moment. Schau, dass du weg kommst. Schnell, schnell. Mit Nachdruck schob er mich weg. Ich war sprachlos und verstand nicht so recht was er meinte. Doch es war schon zu spät. Einer dieser alten Taurinos hatte mich gesehen und brüllte los: „Eine Antitaurina. Das ist eine Antitaurina. Die kenn ich. Geht auf sie los. Mach, dass du weg kommst. Du hast hier nichts verloren. Hey, geht auf sie los!“ Ich dachte, ich hör nicht richtig. Da kam dieser keifende Alte auf mich zu wie ein Besessener, mein Bekannter, stellte sich schützend zwischen diesen Wilden und mir, während er mich weiter Richtung „antitaurinos“ schob.

Da hatten die jungen Kerle das wohl endlich mitbekommen und kamen geschlossen, schreiend und fluchend auf mich zu. Ich war vollkommen sprachlos. Soviel zum Thema, dass wir „anti-taurinos“ ein gewalttätiges Gesindel sind. Zum Glück stellten sich vier 1,80 m große Mossos d´Escuadra wie eine Mauer zwischen diesen sich nähernden Taurino-Mob und mich. Wenn nicht, ich weiß nicht, wie ich da mit heiler Haut davon gekommen wäre. Im schlimmsten Fall hätte sich daraus eine Straßenschlacht entwickelt.

Zwischen den Polizisten hindurch, sagte mein taurinischer Bekannter, dass ich ihm eine Visitenkarte geben solle, er würde sich dann schon mit mir in Verbindung setzen. Während die Polizisten mich baten, weiter zurück zu gehen, steckte ich meinem Bekannten heimlich eine Visitenkarte zu, damit es auch kein anderer Taurino sieht, dann trollte ich mich von dannen, nicht aber noch einen Blick auf die wutverzerrten Gesichter dieser Taurinos zu werfen. Auf jeden Fall wagte ich es nicht, meine Kamera zu zücken. Schade, denn das hätte exzellente Aufnahmen ergeben.

Dann entdeckte ich ein kleines Handgemenge zwischen anderen jungen Taurinos, ein paar Mossos und einigen von uns. Dazwischen entdeckte ich Miguel, einen Freund von mir. Er hatte die Szene mit mir und den Taurinos filmen wollen, doch da stürzten sich die restlichen Taurinos gleich auf ihn. Wer zweifelt da noch am Zusammenhang zwischen Gewalt und Stierkampf?

Laut Professor Levin, Professor für Soziologie und Kriminologie und Co-Direktor des Brudnick Center über Gewalt an der Northeastern University, Experte auf dem Gebiet der Gewalt- und Hassverbrechen, sind “Gewalt, Machtdominanz und Zwang allesamt Elemente des Stierkampfs …. Die langsame und ritualisierte Verletzung der Stiere, die in ihrem Tod gipfelt, ist mit Fällen schweren bis ungeheuerlichen Missbrauchs vergleichbar. Da Gewalt gegenüber Tieren mit Gewalt gegenüber Menschen in Zusammenhang steht, scheint eine Unterstützung des Stierkampfs aus kulturellen, künstlerischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen kaum vertretbar“. Levin hat mehr als 28 Bücher als Autor oder Mitautor verfasst, so unter anderem The Will to Kill: Making Sense of Senseless Murder, und The Violence of Hate, und hat über 150 Artikel in Fachzeitschriften und Zeitungen veröffentlicht. Diese, sowie die Lektüre „Psicología de la aficción taurina“ (Psychology of the public in bullfighting) von Herrn Dr. Cecilio Paniagua, Mitglied der int. Vereinigung der Psychoanalyse, kann ich allen Taurinos wärmstens empfehlen. Es ist nie zu spät, doch noch den richtigen Weg zu finden und zu begehen.

Was mich betrifft, war ich heilfroh, einem Fiasko entgangen zu sein. Ich zog es vor, Fotos von den fröhlichen Freunden zu machen.

Auf einmal begann ein wildes Klatschen und Rufen, ich drehte mich herum: Leo, Leonardo Anselmi, der Kopf des Volksbegehrens kam müde aus dem Parlamentsgebäude heraus. Er hatte gerade eben eine einstündige Pressekonferenz gegeben. Man sah, dass er erschöpft war. Die letzten Monate waren sehr hart für ihn und seine Familie. Jetzt darf ich es ja sagen. Mein geschätzter Freund Leo hat während dieser ganzen Zeit, Morddrohungen erhalten. Die Taurinos hatten seinen Wohnort ausfindig gemacht und ab da waren er und seine Familie ständig unter Beschuss. Doch damit gaben sie sich die nach Blut lechzenden Taurinos nicht zufrieden. Nein.

Sie fanden heraus, in welcher Firma er angestellt war und begannen Morddrohungen gegen seine Vorgesetzten auszustoßen. Brieflich und per Telefon. Das ging eine Weile lang gut, bis man dann in gütlichem Einvernehmen beschloss, für das Wohl aller auf die Mitarbeit von Leo zu verzichten.

Er näherte sich uns, müden Schrittes, doch er wurde gefeiert wie ein Superstar. Die Presse umringte ihn sofort und nahm alles auf, was er zu sagen hatte. Küsse, Umarmungen und Dankesrufe von denen aus den letzten Reihen waren seine Belohnung für diese harte Zeit.

Doch das Ziel ist erreicht. Leo kann stolz auf das Erreichte sein. Er ist ein brillanter Kopf und ich frage mich, was er jetzt gerade ausheckt, um uns gen Madrid zu führen.

Denn, das ist sicher, auch Madrid wird fallen. Es wird noch Jahre dauern, Barcelona ist auch nicht in ein paar Monaten gefallen, das war harte, jahrelange Knochenarbeit, um ein Parlament dahingehend zu überzeugen, dass es für die Aufklärung stimmt. Das war stete, unermüdliche Aufklärungsarbeit, immer auf ein Ziel hinarbeitend: Das Ende der Stierkämpfe in Spanien.

Caroline Waggershauser

3 Kommentare zu “Der Sieg der Demokratie, Abschaffung der Stierkämpfe in Katalonien”

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  1. 1 1. August 2010, Edith Fischer schreibt:

    Ich kann Euch nur allen ganz, ganz herzlich für Eure wunderbare, unermüdliche Arbeit im Kampf gegen die blutrünstigen Stierkämpfe zu danken.

    Nun kann es weiter gehen, die anderen Regionen müssen auch noch nachziehen. Das wird wohl noch einige Zeit dauern, doch das Ziel ist erreichbar, wie wir ja sehen konnten.

    Ich grüße Euch sehr herzlich aus Berlin, und wünsche Euch, uns, weiterhin viel Kraft gegen diese übermächtige Lobby eines Tages den Sieg davon zu tragen,
    Eure Edith Gabriele Fischer.

  2. 2 1. August 2010, Tierfreundin schreibt:

    All animalsaver thank you for your good Work!!!Germany is so lucky!!!Thanks

    Ich freue mich wie ein kleines Kind,aber wenn ich hier lese wozu diese kranken Menschen fähig sind bekomme ich Angst um die Tierschützer!!!!!!
    Ein Bravo!!!!+ Dankeschön an alle mit Herz + Verstand!!!!

    Bitte hier mal schauen

    http://www.comprendes-mallorca.de/mallorca/mallorcanenews/mnewsdetails/datum/2010/08/01/tierschuetzer-protestieren-in-inca-gegen-stierkaempfe/

    Nach dem Verbot von Stierkämpfen in Katalonien mobilisiere sich nun auch Mallorca die Gegner.Heute findet in Incas eine Kundgebung anlässlich der dortigen Corrida statt!!!

    Quelle falls Link nicht i.o gleich unter Tierschutz schauen

    http://www.hund-und-co.de

    In Palma hat man sogar am vergangenen Montag beschlossen kein Zirkus mehr mit Tieren zuzulassen!!

    Ist das nicht auch schon klasse????Freue mich immer mehr über die kleinen Fortschritte die aus dem Mittelalteer verschwinden!!!!Und Petitionen bringen doch etwas!!!!

  3. 3 2. August 2010, Isabel schreibt:

    Ein ausgezeichneter Bericht, Carol. Kann dir und allen Beteiligten, die hartnäckig den mühsamen Kampf gegen die Tauromafia aufgenommen haben, nur aus ganzem Herzen danken. Die corrida und andere bestialische „Feste“ sind nichts als ein schreckliches Überbleibsel der Inquisition. Wie gefährlich viele taurinos sind beweist, dass sie sogar mit Morddrohungen kommen. Du hast gerade noch Glück gehabt. Dieses Gesindel hätte dich schrecklich zugerichtet, wenn es gekonnt hätte.
    Da verlangen diese groben Kerle doch tatsächlich Freiheit. Sie selber aber lassen nicht einmal zu, dass ein Andersgesinnter filmt. Weshalb wohl??
    Und wenn wir schon von Freiheit reden. Das Parlament hatte volle Freiheit bei den Wahlen. So kam auch das demoktratische Resultat zu stande. Doch diese Art von Freiheit interessiert die blutrünstigen taurinos nicht.

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