Aus dem Tagebuch einer Tierschützerin: Ohnmacht, Wut und Verzweiflung
Irgendwann lande ich mal vor einem Richter. Ganz sicher. Weil ich jemanden windelweich geprügelt habe. Ganz sicher. Einen Tierquäler natürlich nur.
Gestern Abend um 23 h, ich schlief schon, weckte mich mein Sohn schwer schnaufend: Mami, ich hab am Strand ein Hündchen gefunden und ich hab es unten in der Garage gelassen. Naja, dann stehen wir halt mal auf. Runter in die Garage und da kam mir schon ein quirliges junges Hundi entgegen, das mit dem ganzen Körper wedelte.
Cris gab ihm Futter und ich nahm den sympathischen Findling mal genau unter die Lupe. Dünn, sehr dünn, voller Flöhe, ellenlange Krallen, ein Zeichen, das er nie viel gelaufen ist, was wiederum heißen will, dass er sicher irgendwo angekettet war oder eingesperrt.
Dann hatte er den hinteren Teil seines Rückens und um den After und die Hoden herum alles zerbissen, teils schon offene Stellen. Sicher eine Allergie gegen die Flohbisse.
Wir legten ihm eine Decke hin und gingen nach oben. Das arme Kerlchen fing an zu jaulen, aber ich konnte ihn nicht mit hoch nehmen. Schon wegen der Katzen und dann hätte er mir auch noch Flöhe ins Lokal gebracht.
Mitten in der Nacht, wie immer, begann ich meine Katzenrunde. Obwohl er mich die Treppe herunterkommen hörte, blieb er ruhig. Ein Glück, sonst wären die lieben Nachbarn drauf aufmerksam geworden.
Als ich mich nach Ende der Katzenrunde schon dem Auto näherte, sah ich an einer Stelle, an der ich immer Taubenfutter ausstreue, eine dicht an eine Wand gedrückte Taube, die sich nicht rührte, obwohl ich langsam näher kam.
Irgendwas steckte hinten in ihrem Körper. Irgendwas Rotes. Seltsam. Ein Rohr. Ein Stift. Ich eilte zum Auto, wo ich Bobby ließ und holte mein Netz, mit dem ich die Taube ganz leicht einfangen konnte. Sie flatterte zwar, konnte aber nicht fliegen.
Ich nahm sie auf und fasste dieses rote längliche Ding an. Natürlich konnte ich nichts rechtes erkennen, bei dem schummrigen Laternenlicht. Es sah irgendwie aus, als ob man ihr etwas in den Leib gerammt hätte. Aber dann wäre doch Blut am Körper gewesen.
Vorsichtig legte ich sie in eine Decke gewickelt auf den Beifahrersitz und brauste los. Kurz noch die Wildlinge an ihrem Stammplatz füttern, Treppe hoch, das Hündchen blieb ruhig, ein Glück.
Im Bad konnte ich mir dann endlich die Taube unter gutem Licht ansehen. Dieser rote Stock entpuppte sich als rotes Klebeband mit dem man den ganzen Schwanz der Taube eingewickelt hat. Und man hat auch nicht vergessen, der Armen die Flügel aufs Fürchterlichste zu stutzen. Und danach hat man sie freigelassen. Was für nette Menschen doch unter uns weilen.
Das ist jetzt schon die sechste Taube, die ich in dieser Zone finde. Dort befinden sich zwei Grundschulen und ein Kinderspielplatz. Und genau rundherum finde ich immer diese übel zugerichteten Tauben.
Danach gab ich unserem quietschfidelen Findling unten in der Garage wieder Futter. Es war ein allerliebstes Kerlchen, freundlich und sympathisch. Es tat mir leid, ihn in dieses Tierheim bringen zu müssen, aber das Lokal und meine Nerven vertragen keinen dritten Hund mehr. Und schon gar nicht mit unserer „Kampfmaschine“ Charly.
Cris und ich waren für 9 h verblieben, um das Kerlchen ins Tierheim zu bringen. Wir hatten keine Bedenken, das Hündchen in der Garage zu lassen, weil alle anderen im Urlaub waren.
Als Cris kam, fragte er mich, ob ich unten geöffnet habe. ???? Nein, natürlich nicht. Aber unten sei alles offen. Türen und Garage sperrangelweit geöffnet und der Hund weg. Wie bitteeeeeeee???????
Ich flog förmlich die drei Stockwerke hinunter zum Eingang. Ja, alles weit offen und vom Hündchen keine Spur. Verdammt nochmal. Ich fluchte ohnmächtig vor Wut vor mich hin.
Ich wusste schon wer das war, der vom 2. Stock. Ein überheblicher, außerordentlich arroganter und eingebildeter Schnösel. In diesem Moment war er nicht in seinem Lokal. Klar, der hat nur mal eben schnell was geholt, musste aber mit seinem dicken BMW in der Garage parken und hat das Hündchen, das ganz sicher bleiben wollte, verjagt. Der Rüde war sehr anhänglich und freiwillig wäre er bestimmt nicht von seinem neuen Futterplatz weg. Und ich wollte ihm heute morgen noch die Krallen stutzen.
Cris und ich verfluchten diesen elenden Typ. Ich klebte ein großes Schild an die Aufzugstür, dass der, der den Hund raus gelassen hat sich unverzüglich bei mir melden soll.
Danach machten wir uns auf die Suche nach dem Kleinen. Vergeblich. Klar. Der war wer weiß schon wo. Solche Hunde laufen und laufen und laufen und laufen. Und obendrein verläuft unweit von uns eine Autobahn. Ach, ich mag gar nicht dran denken. Elender Mistkerl der. Hab ich eine Wut im Bauch. Wirklich, hätte ich den vor mir gehabt mit seiner arroganten Visage, ich weiß nicht, ob ich mich hätte beherrschen können. 30 Jahre Kampfsport gehen schließlich nicht einfach so an einem vorüber. Und da juckt es einen schon so ab und zu in den Händen, auch wenn einem genau das im Kampfsport nicht beigebracht wird. Da so einfach auf Leute los zugehen. Nein, Beherrschung und Dialog sind die Devise. Aber ich platz bald.
Während ich durch die Straßen lief, bemerkte ich hinter einem Fenstergitter auf einer Fensterbank einen Papagei. Nanu? Ich dachte, der wäre da irgendwie drin gefangen. Aber nein, er hatte Futter und Wasser.
Ich war platt. Da hält jemanden einen Vogel auf einer Fensterbank eines Lokals? Da wohnt nämlich niemand. Das gibts doch nicht. Ich hatte gute Lust, meine riesige Beißzange zu holen und das Gitter durchzutrennen und den armen Kerl an mich zu nehmen.
Aber klar, das wäre Beschädigung von Eigentum gewesen. Außerdem waren schon viel zu viele Leute auf der Strasse. Daher hab ich erst mal nur Fotos gemacht. Unglaublich, wie manche Leute ihre Tiere halten. Aber ich werde das an die Stadtverwaltung schicken, vielleicht lässt sich ja jemand dazu nieder, der Sache nachzugehen.
Ich bin es so leid, so schrecklich leid, von Leuten umgeben zu sein, denen das Leben und Leid anderer vollkommen egal ist. Sei es Mensch oder Tier. Und ich hab Angst davor, dass ich irgendwann beim geringsten Anlass jemandem an die Gurgel geh. Wirklich.
Seit Jahrzehnten schon staut sich in mir die Hilflosigkeit, diese Ohnmacht, nichts ausrichten zu können. Alle strampeln und tun wir, helfen wo immer und wann immer wir können und rennen doch nur gegen Wände an. Vor allem gegen bürokratische Wände.
Ich bin ja nun wirklich kein zur Gewalt neigender Mensch, aber ich befürchte, dass der Moment kommt, an dem ich wegen einer Nichtigkeit explodiere und derjenige dann stellvertretend für alle Tierquäler dieses Landes sein Fett weg bekommt. Aber ordentlich.
Dann müssen alle meine Freunde zusammenlegen um mich gegen Kaution frei zu bekom
Oder mir eine in einem Kuchen versteckte Feile in die Gefängniszelle schleusen.
Caroline