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Das Interesse der spanischen Bevölkerung am Stierkampf sinkt, Stiergemetzel als Kulturgut wird mehr und mehr hinterfragt, nicht nur zahlreiche, nicht von der Stierkampflobby untergrabene spanische Tageszeitungen werfen einen kritischer Blick auf das Treiben der Taurinos, europaweit schaut man mit Argwohn auf das brutale Töten von Stieren unter dem Deckmantel von Kultur und Tradition. Während des II Congreso de la AsociaciónNacional de Presidentes de Plazas de Toros de España, der am 20. und 21. Oktober in Sevilla tagte und bei dem die wichtigsten Vertreter und Lobbyisten der Stierkampfindustrie vertreten waren, wurde entschieden, Einigkeit gegenüber den Attacken gegen die Stierkampf-Kultur zu zeigen, die Vereinheitlichung aller autonomen Vorschriften bezüglich der Stierspektakel zu fordern und den Stierkampf in allen autonomen Regionen Spaniens dem Ministerium für Kultur zu unterstellen um ihn so leichter als Immaterielles Kulturgut unter den Schutz der UNESCO zu stellen.
Die Offensive der Stierkampflobby ist im vollen Gang, es herrscht Einigkeit darüber, den Stierkampf, der bislang dem Innenministerium unterstand, in der autonomen Gemeinschaft von Madrid in Zukunft dem Ministerium für Kultur zu unterstellen, nachdem der Antrag der Volkspartei, das blutige Gemetzel zum Kulturgut (“Bien de Interés Cultural”) erklären zu lassen, vom Madrider Senat niedergeschmettert wurde. Der Plan ist gut durchdacht, denn das Ministerium für Kultur unterliegt der Führung der Vollblut-Taurina Angeles González-Sinde. Der Torero und Lobbyist José Maria Manzanares sieht sich und seine Kumpanen gar als Künstler, “Wir fühlen uns als Künstler und können deshalb vom Kulturministerium auch mehr Unterstützung erwarten”.
Am 20. Oktober wurde auf einen Antrag der DER GRÜNEN über die Streichung der Subventionen der spanischen Kampfstiere abgestimmt, das Geld wird sehr zur Enttäuschung derer, die es nicht als vertretbar ansehen Tierquälerei mit EU Geldern zu unterstützen, weiterfließen. Die Stierkampflobby zeigte sich hoch erfreut, “Straßburg gibt dem Fest einen Ritterschlag”, mit dieser Überschrift leitet Mundotoro ihren Beitrag über die Nachricht ein und die sozialistischen Europaabgeordneten und Stierkampffanatikerin Bernadette Vergnaud, die auch am Kongress in Sevilla teilnahm, sprach sogar davon, dass Europa das “Fest” gerettet hat. Auch die Bildzeitung widmete diesem Thema einen Beitrag mit dem Titel „EU sponsert Gemetzel an spanischen Stieren“.
Der Jahresumsatz der Stierkampfindustrie beläuft sich alleine in Spanien auf schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro. Die Schreckensbranche schafft ca. 70 000 Arbeitsplätze, von denen die Meisten allerdings Saisonarbeitsplätze sind, den größten Gewinn sacken die Stierzüchter ein, erwähnenswert ist auch, dass ein Spitzentorero wie José Thomas durchaus 300 000 € verdient. Es geht um Geld, um sehr viel blutbeflecktes Geld. Überleben kann diese Industrie nur dank enormer Subventionen, die Aussage der Europaabgeordneten Keller ist erschreckend und beschämend zugleich, nach informellen Schätzungen fließen ca. 600 Millionen Euro an Subventionen in den Stierkampf, nur ein kleiner Teil wird direkt an die Züchter gezahlt die Prämien für männliche Rinder kassieren, alle anderen Mittel werden den Stierkampffanatikern auf Umwegen in den gierigen Rachen geworfen, oft sieht man riesengroße Schilder mit dem EU Logo an Stierkampfarenen die gerade saniert werden, auch mit unseren Steuergeldern.
Die auf internationaler Ebene gut organisierte anti-Stierkampfbewegung sorgt für viel Aufmerksamkeit, erste Erfolge wie die Abschaffung der Stierkämpfe in Katolonien versucht man zu politisieren, aber der Stein zur Abschaffung der beschönigend Tauromachie (Stierkämpferkunst) genannten Volksbelustigung ist längst ins Rollen gekommen und nicht mehr aufzuhalten. Zu dieser Erkenntnis kamen offensichtlich auch die Teilnehmer des Kongresses.
Die Angst der Stierkampfbefürworter vor der anti-Stierkampfbewegung ist groß, „Einigkeit gegen die Attacken gegen die Stierkampf Kultur“, titelte Tribuna.net ihren Beitrag über den Kongress in Sevilla.
Der Präsident der Vereinigungen der Stierkampfarenen Spaniens, Julio Martínez, sieht in der anti-Stierkampfbewegung gar dunkle Mächte. „Die Stierkampfgegner sind die Kraft der Dunkelheit und die Zerstörung ist ihr Werk“, sowie „Die totalitäre Bewegung ist keine Bewegung innerhalb einer Epoche. Die Antitaurinos greifen hinterhältig die Kunst, die Kultur und das Improvisierte an“, „Man kann nicht weiter hinnehmen, dass uns die Antitaurinos verleumden, geringschätzen, schmähen“ und beklagte, dass die Polizei nicht in der Lage ist dies zu verhindern. Ferner bemerkte Martínez, dass die Vereinigung der Stierkampfarenen Spaniens das einzige Kollektiv ohne wirtschaftliche Interessen ist um man deshalb an die Utopie glaubt. Hiermit hat er klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, wo die wirklichen Beweggründe der Stierkampflobby liegen, das Geschwafel um Kunst und Kultur ist nebensächlich, die Kassen sollen weiter klingeln.
Aus diesem Grund arbeitet die Stierkampflobby mit allen ihren Kräften an dem Ziel, den Stierkampf als Immaterielles Weltkulturerbe unter den Schutz der UNESCO stellen zu lassen. “Proyecto Tauromaquia de la UNESCO”, so nennen sie ihr schmutziges Projekt, mit dem sie für eine der entsetzlichsten Tierquälereien das Gütesiegel der UNESCO erschleichen wollen, um dann ungehindert und für alle Ewigkeit weiterhin Stiere unter dem Deckmantel von Kunst, Kultur und Tradition zu Tode quälen zu können, auch mit unseren Steuergeldern.
Nicht der Schutz der morbiden Tierquälerei, sondern die Abschaffung derselben wäre somit eine überaus schützenswerte Kulturleistung.
Martina Szyszka