Stierkampf: Reflexionen zur Jahreswende
Nachrichten über den Stierkampf sind selten erfreulich. Doch zum Ende dieses Jahres gibt es etwas sehr Positives zu berichten:
Zahlreiche spanische und internationale Tierschutzorganisationen sowie einige Privatpersonen haben beim Europäischen Parlament eine Beschwerde gegen Spaniens brutalste Stierhatz “Toro de la Vega”, die jedes Jahr im September in Tordesillas stattfindet, eingereicht. Der Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments hat die Beschwerde nun für zulässig erklärt und damit anerkannt, dass diese ungeheure Tierquälerei in den Zuständigkeitsbereich der Europäischen Union fällt. Dieser Erfolg ist der spanischen Rechtsanwaltskanzlei IFS Abogados zu verdanken, die im Auftrag der Tierschützer die Beschwerde eingereicht hat. Nun wird sich die Intergroup on the Welfare and Conservation of Animals des Europäischen Parlaments damit befassen. Diese Gruppe hat sich schon bei anderen Problemen zugunsten des Tierschutzes erfolgreich eingesetzt. Entgegen den Versprechungen der Veranstalter der Stierhatz, den Stier weder zu töten noch zu misshandeln, sondern nur durch die Landschaft zu hetzen, wurde das scheußliche Spektakel nicht abgeschafft. Bei Erfolg der Beschwerde riskieren sie eine Strafe von mehr als 150.000 €. Lesen Sie bitte den Bericht von SOS-Galgos.
Für die französischen Stierkampfgegner war dieses Jahr sehr ereignisreich. Ausgelöst durch die Erklärung des Stierkampfs zum nationalen französischen Kulturerbe durch das Kultusministerium kam es zu vielen Protesten in allen Teilen Frankreichs. Der französische Kultusminister, der angeblich nichts von dieser Auszeichnung durch sein eigenes Ministeriums wusste und sich dennoch außer Stande sah, diese fatale Entscheidung zu widerrufen, wurde bei vielen Veranstaltungen, an denen er teilnahm, von Protestierenden verfolgt und zur Rede gestellt. Seine Hoffnung, dass sich die Wut über diesen skandalösen Vorgang legt, wird enttäuscht werden. Schon am Anfang des nächsten Jahres, am 11. Februar um 15 Uhr, wird in Paris bei einer großen Demo vor der Nationalversammlung an die nationale Schande Frankreichs erinnert werden. 177 Organisation haben zu dieser Versammlung aufgerufen, die von dem Comité Radicalement Anti Corrida (CRAC) koordiniert wird. Wenige Wochen vor den französischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen soll den Abgeordneten vor Augen gehalten werden, dass die Ausnahme des Stierkampfs vom französischen Tierschutzgesetz eine Kulturschande ist und die Erklärung zum nationalen Kulturgut einer Kulturnation nicht würdig ist. Die Volksvertreter sollen auch daran erinnert werden, dass 80 % der französischen Bevölkerung das Massaker an den Stieren in den südfranzösischen Arenen ablehnt.
In der französischen Öffentlichkeit wird immer noch diskutiert, was am 8. Oktober in der Stierkampfarena in Rodilhan einem Vorort der südfranzösischen Stadt Nîmes passierte. Während einer Stierkampf-Veranstaltung, bei der minderjährige Torerolehrlinge wetteiferten sechs Kälber zu Tode zu quälen, besetzten etwa 100 Stierkampfgegner die Arena. Während 30 von ihnen in den Zuschauerrängen Banderolen ausbreiteten, sprangen 65 andere in das Rund der Arena und ketteten sich dort kniend einander an. Hasserfüllt stürzten sich die Schergen dieser Mordorgie auf die wehrlosen Mitstreiter, schlugen mit Füssen und Fäusten auf sie ein, zerrten sie an den Haaren, rissen ihnen die Kleider vom Körper und spritzen ihnen mit Feuerwehrschläuchen Wasser in die Ohren. Einige Zuschauer beteiligten sich an der Schlägerei und andere begleiteten dieses Massaker mit Gejohle und Rufen, die Demonstranten tot zu schlagen. Dieser Hagel von Schlägen und Beleidigungen dauerte ungefähr eine halbe Stunde, währenddessen keiner der Stierkampfgegner die Misshandlungen und Beschimpfungen erwiderte. Es gab 20 Verletzte, die alle sofort Anzeige erstatteten. Einer Mitstreiterin wurde der Fuß gebrochen und mehrere Zerrungen und Prellungen zugefügt. Einem anderen wurden zwei Rippen gebrochen, weitere erlitten durch die Wasserspritzen Verletzungen an den Ohren und Frauen wurden verbal und körperlich sexuell belästigt. Dieses beschämende Ereignis fand unter den Augen des Bürgermeister von Nîmes Jean-Paul Fournier statt, der zugleich Abgeordneter im französischen Senat ist. Tatenlos folgte er dem Massaker und rechtfertigte es in einem Interview als legitime Selbstverteidigung. Mit den Ereignissen von Rodilhan zeigten die Stierquäler, dass sie nicht nur fähig sind, Tieren ungeheure Qualen zuzufügen, sondern auch Menschen zu misshandeln. CRAC hat im Internet eine umfangreiche Dokumentation veröffentlicht, die große Aufmerksamkeit in der französischen Öffentlichkeit erregte und mit einer Flut von Sympathiekundgebungen unserem Kampf im kommenden Jahr mit starkem Rückenwind unterstützt.
Mit Sorge beobachten wir die politischen Veränderungen in Spanien. Die neue konservative Regierung gibt den Stierquälern Hoffnung, den Stierkampf wie in Frankreich unter landesweiten Schutz zu stellen und die Stierquälerei von der UNESCO als Immaterielles Weltkulturerbe erklären zu lassen. Wir gehen davon aus, dass diese Bemühungen auf Widerstand anderer Länder stoßen und vielleicht auch an den finanziellen Möglichkeiten der UNESCO scheitern werden. Schon jetzt ist die UNESCO angesichts einer Flut von Anträgen zum Immateriellen Weltkulturerbe überfordert und leidet andererseits auch an der Weigerung der USA, an der Finanzierung des UNESCO-Haushalts wegen des Beitritts von Palästina beizutragen. Wir hoffen, dass uns das neue Jahr in dieser Hinsicht nicht enttäuscht!
Langfristig wird der Stierkampf nicht überleben. Dafür gibt es mehrere Gründe: Die Jugend interessiert sich nicht mehr für dieses archaischen Spektakel. Den Veranstaltern geht das Geld aus, denn sie können die enormen Kosten für Kampfstiere und Toreros ohne Subventionen nicht mehr finanzieren, und angesichts der Schuldenkrise können Politiker Subventionen für Tierquälerei nicht mehr rechtfertigen. Doch solange wollen wir nicht warten, bis der Stierkampf eines natürlichen Todes stirbt. Wir müssen mit allen Kräften, diese Entwicklung verstärken, um noch vielen Tieren das Leid zu ersparen und ihr Leben zu retten.