Stop Corrida – Herbstliche Nachrichten aus dem Stierkampf-Süden
Mit dem Herbst geht auch in diesem Jahr in Südfrankreich die Stierkampfsaison zu Ende. Über tausend Stiere mussten im Laufe dieses Jahres zum Vergnügen einer Minderheit der französischen Bevölkerung und sensationssüchtiger Touristen einen qualvollen Tod erleiden.
In diesen Tagen jährt sich ein Ereignis, das ganz Frankreich auf die Brutalität dieser widerlichen südfranzösischen „Tradition“ und seiner fanatischen Anhänger aufmerksam machte und zeigte, dass sich auch Jugendliche aktiv als Toreros bei dem Massaker produzieren dürfen. Am 8. Oktober letzten Jahres sollte in der südfranzösischen Stadt Rodilhan ein Stierkampf mit minderjährigen Toreros stattfinden. Doch dazu sollte es nicht kommen, denn 60 Aktivisten der Antistierskampforganisation CRAC stürmten vorher die Arena und ketteten sich dort aneinander. Daraufhin fielen die Veranstalter mit Hilfe ihrer Schergen und einiger furioser Zuschauer mit bestialischer Gewalt über die Demonstranten her und zerrten sie schonungslos aus der Arena. Entsetzliche Bilder dieses Massakers machten in den Medien die Runde und zeigten, dass die Verfechter des Stiermords zu Allem fähig sind. Ernsthafte Verletzungen, obszöne Belästigungen an Frauen und schlimme Beleidigungen waren die Folge und führten zu zahlreichen Strafanzeigen gegen die Tier und Menschen verachtenden Verursacher, die allerdings nur zögernd von den Behörden aufgenommen wurden. Von den Aggressoren wurden 15 fotografisch identifiziert und werden hoffentlich bald vor Gericht gestellt.
In diesem Jahr wurden Präsident Sarkozy und sein Premierminister Fillon, beide Stierkampffans, abgewählt und durch eine sozialistische Regierung ersetzt. Schon nach der Wahl kamen Zweifel auf, ob die neue Regierung den Stierkampf in Frankreich abschaffen wird. François Hollande, damals noch Präsidentschaftskandidat, versprach im Wahlkampf, dass seine Regierung eine neutrale Position gegenüber dem Stierkampf einnehmen wird. In einem Brief an CRAC schlug er vor, die Corrida nach spanischer Art durch ein „mehr familiäres Spektakel“ wie den portugiesischen Stierkampf zu ersetzen. In völliger Unkenntnis der Materie befürwortete er also, das bisherige Gemetzel durch ein noch schlimmeres auszutauschen, bei dem noch viel gefährlichere Banderillas tief in den Rücken der Stiere gestochen und die schwer verletzten Tiere nach dieser Tortur „diskret“ außerhalb der Arena abgeschlachtet werden. Welch eine unglaubliche Naivität!
Nach der Wahl Hollandes ließ die Nominierung eines Premier- und eines Innenministers, die ausgewiesene Stierkampf-Enthusiasten sind, nichts Gutes erwarten. Zwischenzeitlich hatte CRAC beim obersten Verfassungsrat Frankreichs eine Verfassungsklage gegen das Tierschutzgesetz, das für Stierkämpfe in Südfrankreich eine Ausnahme vom Tierschutz zulässt, eingereicht. Zur großen Überraschung wurde die Klage sogar angenommen! Nun bekam die Regierung die Gelegenheit, ihre Neutralität, die von Hollande noch einmal – nun als Präsident – in einem Brief an die CRAC erklärt wurde, zu beweisen. Jedoch sein Premier- und sein Innenminister hielten sich nicht an das Versprechen ihres Chefs und erklärten unmittelbar vor der ersten Sitzung des Verfassungsrats unüberhörbar für die französische Öffentlichkeit ihre große Liebe zur Corrida und ihre Opposition zum Verbot dieses Spektakels. Offensichtlich davon beeindruckt entschied der Verfassungsrat, dass die Veranstaltung von Stierkämpfen im Süden des Landes nicht der Verfassung widerspricht!
Damit bleibt weiterhin ein Verbrechen, das im Norden Frankreichs schwer bestraft wird, im Süden des Landes ungesühnt!
Anke und Karl Daerner