Die einen fordern die sofortige Abschaffung dieser barbarischen Tierquälerei, die anderen wollen den Stierkampf zum Weltkulturerbe erklären. Stierkampf in Spanien, archaisches Töten oder tradiertes Kulturgut, eine Anregung zum Denken von Axel Hilger.
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Man kann es kaum glauben, aber das Leben solch beeindruckender Lebewesen beginnt in Andalusien oder der Extremadura unter sehr guten Bedingungen. Wo man im übrigen Europa Tiere in einem Stall auf Metallrosten mästet, um sie möglichst schnell zu Lebensmitteln verarbeiten zu können, genießt der Toro Bravo vor seinem dramatischen Ende ein durchaus angenehmes Leben. Auch züchtet man dort nicht irgendeine Rinderart, sondern eine ganz bestimmte uralte Rasse. Ihr Name ist Urus und man kann sie als „die Mutter“ aller Stierkampf-Bullen bezeichnen. So ein Bild von einem Bullen, bringt nicht selten 500-700 Kg auf die Waage. Schnell wird klar, warum dieses Geschöpf schon im alten Ägypten als Fruchtbarkeits-Symbol verehrt wurde. Viele Kulturen bezogen diese Wesen in rituelle Handlungen ein und selbst dem christlichen Abendland ist es nicht fremd. Seine signifikantesten Eigenschaften sind Kraft und Mut. Dieses Tier ist quasi nicht zur Aufgabe fähig, ergo ideal für den unfairen, aber publikumswirksamen Stierkampf geeignet.
Der wahrscheinlich bekannteste Torero war Joaquin Rodriguez, welcher 1729 in Sevilla geboren wurde. Zu seiner Zeit war der Stierkampf noch ein wildes Durcheinander ohne Regeln. Eigentlich konnte jeder am Spektakel teilnehmen, egal ob Edler oder Bauer. Man kämpfte mit einer Lanze bewehrt vom Pferde aus, solange man selber oder der Stier eben durchhielt. Rodriguez nun revolutionierte die Tötung des Tieres. Er ging von vorne auf den Stier zu, „volpair“ genannt. Es folgten weitere Regeln, womit langsam ein klar vorgeschriebener Ablauf des Kampfes sich zu etablieren begann.
Seit 1830 gab es ordentliche Schulen zur Ausbildung der Kämpfer und auch heute noch muss sich der Torero einer vierjährigen Ausbildung unterziehen, bevor er in die Arena darf. Um 1870 wurde in Madrid jeden Sonntag ein Stierkampfspektakel zelebriert, wobei 8-10 Stiere und meist doppelt so viele Pferde ihr Leben verloren. In allen Teilen Spaniens wurden diese Kämpfe veranstaltet. Als tradiertes kulturelles Erbe deklariert, wurden sie tatsächlich als Normalität empfunden.
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Heute finden in der „Saison“ (April bis September) in verschiedenen Städten nur noch einmal monatlich solche degoutanten Veranstaltungen statt. Viele möchten diese gefühllosen „Events“ gerne als Kunst, sozusagen eine Mischung aus Tanz und Eleganz, Ästhetik und Athletik sehen. Dies wohl der Grund, weshalb die Arenen in Andalusien immer noch bis auf den letzten Platz ausverkauft sind. Wir halten diese Sichtweise für nicht akzeptabel, sie lässt jede Achtung vor der Kreatur vermissen! Tiere zur notwendigen Ernährung zu töten ist fragwürdig genug, weil nicht immer notwendig. Sie aus Sensationslust und Spaß umzubringen ist einfach nur abscheulich!
Aber da der Mensch gelegentlich zur positiven Entwicklung neigt, tut sich auch hier etwas. Die heranwachsende junge Bevölkerung will oft nicht mehr tradiert und beschränkt denken. Diesem Prozess des Umdenkens sollte es geschuldet sei, dass sich eine neue Art des Stierkampfes durchzusetzen scheint. Unblutige Schaukämpfe für die Touristen ohne Spieße (Banderillas). Quasi ein wenig Flamenco und Show in der Arena. Man darf nun selbst entscheiden, wen man erbärmlicher findet, die Urlauber die diesen Unsinn konsumieren, oder die Veranstalter die ihn anbieten. Was war da wohl eher da, Ei oder Henne?
Dies also die „light“-Version des Stierkampfes. Aber es gibt natürlich, wie oben schon erwähnt, auch noch den „echten“ Kampf. Dort werden dann die Spieße in den Nacken gestochen, wodurch das Tier den Kopf nicht mehr heben kann. Irgendwann kommt dann auch der finale Degenstoß, welcher den Stier nicht immer in`s Herz trifft, sondern oft die Lunge und andere Organe verletzt, worauf das Geschöpf qualvoll sterben muss.#
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Viele, die sich gegen ein gesetzliches Verbot sträuben, argumentieren immer wieder mit der angeblich künstlerischen Seite dieser Tragödie. Auch wenn wir dies für außerordentlich aberwitzig halten, muss sich jeder selber fragen, welch ganz konkreten Anteil er an diesem Leid der Tiere hat. Angebot und Nachfrage bestimmen viel im menschlichen Sein. Natürlich hängen viele Arbeitsplätze und auch pures Geld an diesen unwürdigen Veranstaltungen, aber ohne die geifernde Menge, die Blut sehen will, würde der kulturell-künstlerische Aspekt schnell an Bedeutung verlieren.
Es gibt wenig bis keine allgemein gültigen Werte. Ein Kannibale hat Schwierigkeiten, den Verzehr von Menschenfleisch als unmoralisch anzusehen. In einigen Kulturen werden kleine Mädchen, unverständlicher Weise, an Greise verheiratet und auch die Freude am Selbstmord der Dschihad-Kämpfer ist für den gesunden Mitteleuropäer nur schwer bis gar nicht zu verstehen. Ergo muss der Entschluss den Stierkampf zu verbieten, in Spanien selbst und Ländern mit gleicher Vorliebe reifen. So wie beispielsweise auch Demokratie nicht einfach exportiert werden kann (siehe die USA im Irak oder Afghanistan), so können auch scheinbar uralte Traditionen nicht durch Belehrungen von außen plötzlich verschwinden. Bevor wir dies noch vertiefen wollen, erst einmal der genaue Ablauf so eines Kampfes:
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Teil 1: Es ist eine riesige Show mit bunten Farben und Live-Musik. Traditionell betreten als erste zwei Reiter mit ihren Tieren die Arena. Ihnen folgen drei Toreros und die Picadores, welche wie Pop-Stars bejubelt werden. Nun wird ihnen der Schlüssel zum Tor überreicht. Dies ein dunkler Raum, in welchem die armen Geschöpfe auf ihr grausames Schicksal warten. Die „Kämpfer“ sammeln sich derweil hinter den Barrieren und üben sich im Wedeln des bunten Tuches (Capas). Nach dem Öffnen des Tores, stürmt der Stier in die Arena. Als nächstes kommen auch schon die farbigen Spieße (Banderillas) zum Einsatz. In geübt-theatralischer Pose, rammt der Torero sie in den Nacken und Rücken des Tieres. Aber jene sollen den Bullen noch nicht töten, sie sollen ihn nur schwächen.
In der Arena befinden sich weiße Kreide-Kreise, welche die Distanz zwischen Stier und Torero anzeigen. Der Zweibeiner beginnt den Gegner mit einem roten Tuch zu reizen, einfach um seine Reaktionen zu testen und ihn so besser abschätzen zu können. Die Distanz der Protagonisten darf nicht zu groß werden, je näher – umso mutiger.
Teil 2: Die Stimmung scheint auf ihrem Höhepunkt. Es herrscht eine Atmosphäre wie in einer Gladiatoren-Arena. Mensch und Tier kommen sich immer näher, der Torero lässt den Stier immer wieder links und rechts an sich vorbeistürmen. Bei 40 Grad im Schatten, spannt sich jeder Muskel dieses kraftvollen Tieres. Ein Maximum an Adrenalin durchströmt die Adern der ungleichen Kämpfer. Der Mob johlt und jubelt – das Tier macht aus Angst unter sich.
Teil 3: Er beginnt mit Todesstille. Auch der Letzte im Publikum verstummt, wenn der in prächtige Farben gekleidete Matador die Arena mit seinem Todes-Degen betritt. Dieser finale Abschnitt dauert ca. 8 Minuten. Durch jahrelange Ausbildung geschult, will der Matador dem Publikum seine totale Überlegenheit beweisen. Der Stier ist eigentlich schon entkräftet wenn er den Degen-Stoß erleidet, wie schon erwähnt, nicht immer direkt in`s Herz. Am Ende kommt ein zweiter Torero und schneidet dem Tier die Ohren ab. War es ein vermeintlich besonders gelungener Kampf, auch noch den Schwanz. Die Masse schreit nur herzlos „ole,ole, winkt mit weißen Tüchern dem Torero zu und scheint uns wie im Rausch.
Der Stier, dem noch die Spieße aus dem Rücken geschnitten werden, wird mit einem Maultier-Gespann aus der Arena geschleift. Es geht nun direkt in die Fleischfabrik. So können seine Reste am Abend im Restaurant genossen werden. Bei größeren Feierlichkeiten ist der Verzehr sogar umsonst. Dieses widerliche Spektakel dauert ca. 20 Minuten und wiederholt sich durchschnittlich 3 Mal am Tag.
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Das wohl bekannteste Stierkampf-Event, ist sicher San Fermin in Pamplona. Jedes Jahr im Juli werden 7 Tage und Nächte der Tierquälerei gewidmet. Seit 1519 gibt es den Bull-Run (spanisch El Encierro). Regelmäßig stoßen Tausende von Touristen zu dieser unschönen, aber trotzdem einmaligen Veranstaltung. Ernest Hemingway, ein von uns im Prinzip sehr geschätzter Autor, war ein großer Befürworter und begeisterter Anhänger dieser stumpfsinnigen Rohheiten. Seinen literarischen Durchbruch hatte er mit dem Roman „La Fiesta“ von 1925, welcher sich in passionierter Art mit jener Thematik beschäftigt. Auch wenn wir hier die Meinung des Autors nicht teilen können – sein erzählerisches Genie schlägt natürlich auch bei diesem Werke zu. Ja, trotz Ekel sind wir fasziniert und beim Gehen durch die Straßen von Pamplona, meint man den einen oder anderen graubärtigen Ernest zu erblicken.
Und die „Party“ macht ja auch was her. In strahlendes Weiß gehüllte Menschen mit roten Halstüchern – vom Taxifahrer bis zum Kellner. Nach der Eröffnung durch den Bürgermeister, beginnt bei sengender Hitze das Spektakel. Durch abgesperrte Straßen, treiben offensichtlich lebensmüde Menschen die Stiere in Richtung Kampfarena. Nach einigen familientauglichen Schein- Gefechten, wird auch dort gnadenlos gemordet. Die Perversion des abendlichen Verspeisens der sinnlos getöteten Tiere auch hier. Auch hier jedoch erstarkt der Widerstand.
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Summarisch betrachtet, darf die Frage nicht lauten OB der Stierkampf eine unerträgliche Grausamkeit ist, sondern wie lange sie noch andauert. Der Stier ist in Spanien ein National-Symbol. Nicht erst seit der außerordentlich erfolgreichen Werbekampagne der Firma Osborne (welche ganz hervorragenden Brandy herstellt!) aus dem Jahre 1956. Aber es entbehrt schon jeglicher Logik, dass nationale Symbol permanent abzuschlachten. Es ist uns nicht bekannt, dass Amerikaner ständig Seeadler schießen oder der Papst die Bärenjagd zelebriert würde.
Gandhi sagte:“Je hilfloser ein Lebewesen ist, desto größer ist sein Anrecht auf menschlichen Schutz vor menschlicher Grausamkeit“. Nun wirkt so ein 700 Kilo-Stier nicht vordergründig hilflos – unseren Schutz in wirren Stierkampfnationen benötigt er aber ganz sicher.
AXEL HILGER
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